Die Silberschuhe

Dave will diese Schuhe haben, koste es was es wolle. Doch das es keine normalen Schuhe sind, wird er schon sehr bald erfahren.

Kapitel 1 – Der Plan

06:00 Uhr, Montag in der Früh. „peep-peep-peep-peep“. Der Wecker klingelt. Gerade noch lag Dave schmunzelnd und schnarchend im Bett in einem seiner fast täglich wiederkehrenden Träume, als er sich auch schon sichtlich genervt und mühsam wie ein Entfesselungskünstler aus seiner Decke heraus winden muss, um den Wecker zum Schweigen zu bringen.

Immer wieder hat er diesen Traum, in dem er es endlich geschafft hat. Mit strahlendem Lächeln spaziert er die Straße entlang. Die Leute schauen auf ihn, zeigen zu ihm, mit begeisternden Blicken. Sie kommen, fragen ihn, ob man „sie mal anfassen dürfe“, doch Dave muss das immer wieder verneinen. Zu wertvoll sind sie und fettige Fingerabdrücke sind ein absolutes No-Go. Die Sonne strahlt hell in seinem Traum und lässt sie und seine Augen funkeln: seine neuen Sneaker. Boots aus der neuesten Kollektion seiner Lieblingsmarke, beworben von den besten der besten der besten Sportlerinnen und Sportlern. Bequem, passgenau und komplett in Silber getaucht schauen sie aus. Und er spaziert eine unendliche Straße entlang.

Zurück in seinem Bett neben dem erneut einsetzenden Wecker – dieser verdammte Schlummermodus – ist Dave nun hellwach und entschlossen. Heute wird er einen Plan umsetzen, um die Sneaker endlich sein Eigen zu nennen. Egal wie. Er hüpft aus dem Bett Richtung Badezimmer und überlegt sich, welche Möglichkeiten er noch hat, um an Geld für seine Sneaker zu kommen. „Mal überlegen, was habe ich schon alles versucht? Schnorren, Rasen mähen, Tante Gerda Komplimente machen, … mmh, vielleicht mal mein Zimmer aufräumen? (Klingt nicht sehr lukrativ). Irgendetwas muss es doch geben.“ Grübelnd stakst er die Treppe herunter in die Küche und murmelt nur ein „morgn“ zu seiner Familie. „Hey Sportsfreund! Gut geschlafen?“ Dave hasst es, von dem neuen Freund seiner Mum „Sportsfreund“ genannt zu werden. Zum einen kann er Sport überhaupt nicht leiden und zum anderen ist er nicht sein „Freund“. „Guten Morgen, mein Schatz, neuerdings bist du jeden Morgen am Grübeln. Ich gehe mal von aus, dass es nicht die Hausaufgaben von heute sind?“ sagt seine Mutter und schiebt ihm eine Schüssel mit Frühstück hin. Schon wieder Haferschleim. „Porridge“, wie seine Mutter es nennt, einer dieser Ausdrücke, um etwas Ekliges lecker klingen zu lassen. Aber zugegeben, das von seiner Mum ist tatsächlich halbwegs genießbar. „Ja, kann schon sein. Aber das soll nicht euer Problem sein. Wie komme ich am schnellsten an Kohle ran?“ „In dem du nach draußen in den Garten gehst und dir aus der Tüte neben dem Grill etwas einpackst“, scherzt der Neue. Neben dem „Sportsfreund“ gesellen sich die schlechten Witze und Sprüche auf Platz eins der Gründe, warum er ihn nicht leiden kann. Dave ignoriert ihn und schlurft sein Frühstück weiter. „Ich frage gar nicht erst, wofür du wieder ‚ganz schnell‘ Geld brauchst, aber hast du’s schonmal mit Straßenmusik versucht? Du hast doch noch deine Geige von Tante Gerda. Übe ein bisschen, stell ein Hut auf und das Geld kommt von allein“, zwinkert ihm seine Mutter zu. „Mum, du weißt genau, wie schlecht ich spielen kann. Da würden mir die Leute ja noch viel eher Geld zuwerfen, damit ich aufhöre zu spielen! Da bräuchte ich ja erst einmal stundenlang Musikunterricht, bis ich halbwegs ertragbare Töne aus dem Ding geleiert bekomme.“

Dave kratzte die letzten Reste seines Frühstücks zusammen und schaufelte es in den Mund. Er packte seine Sachen zusammen und machte sich auf den Weg zur Schule. In seinem Kopf drehten sich den gesamten Schulweg über die Gedanken, und am Smartphone tickerte er das Internet durch nach Ideen und Möglichkeiten. Wie kommt er an Geld? Was kann ein Junge in seinem Alter noch tun? Ohne auch nur ein Stück auf seine Umgebung zu achten, latschte Dave geradewegs in einen Eimer voll mit Leim. „Hey! Was soll denn das? Warum müsst ihr Kids immer ständig auf eure blöden Smartphones glotzen und seht nicht mal mehr, wo ihr hinlauft. Jetzt nimm endlich deinen Fuß aus meinem Eimer!“ schrie ihn eine Frau völlig entfernt an. „Boah, verdammt! Das bekomme ich nie wieder aus meiner Jeans“, fluchte Dave. Er schaute die Frau an, die wohl gerade dabei war, neue Plakate an eine Wand dranzukleben. „Hundeshow – Neu verföhnt“ steht auf den Plakaten. „Aushilfe dringend gesucht“ in einem kleinen Kästchen darunter. „Das könnte die Gelegenheit sein. Hey, tut mir total leid mit Ihrem Eimer. Sagen sie, diese Hundeshow, wann genau ist sie?“ „Na heute Abend um 18 Uhr, steht doch ganz klar da unten. Wenn ihr nicht immer nur durch euer Social Media scrollen würdet, könntet ihr euch auch endlich mal wieder auf mehr als eine Zeile an Informationen konzentrieren. Unfassbar.“ „Und was ist die Aufgabe der Aushilfe? Ist der Posten zufällig noch frei?“ fragte Dave. „Ganz einfach: die Hundeshow präsentiert die verrücktesten Hundefrisuren der Stadt und die ausgefallenste Frisur gewinnt. Wir brauchen aber Unterstützung in der Betreuung und Nachfrisierung der Hunde. Fressen muss aufgefüllt werden, Hundespielzeug eingesammelt und ausgeteilt, Hunde neu durchgestyled,… was eben so anfällt. Unsere eigentliche Aushilfe ist kurzfristig ausgefallen, deshalb suchen wir da händeringend nach Ersatz. Sag bloß, du bist interessiert?“ „Wie viel springt für mich dabei raus?“ „100 Mücken für den Abend sind für dich drin.“ „Sagen wir 200“ schlug Dave vor. „Bist du irre? Okay, 150 €, weil wir WIRKLICH dringend jemanden brauchen. Nimm es, oder vergiss es“, sagte die Frau sichtlich genervt von den Verhandlungsanstalten des Jungen. „Deal. Heute Abend um 18 Uhr, ich werde da sein.“ Beide schlugen ein. „Und nicht zu spät kommen! Sonst kürzen wir den Verdienst gleich wieder.“ „Keine Sorge! Ich werde da sein. Wie heißt du?“ „Jeanette, aber sag ruhig Jean. Und du bist?“ „Mein Name ist Dave. Freut mich, dich kennenzulernen. Aber jetzt muss ich echt weiter, ich darf nicht schon wieder zu spät zur Schule kommen.“ „Und meine Plakate kleben sich auch nicht von allein. Wir sehen uns heute Abend, Dave!“ rief Jean ihm noch hinterher, als er sich bereits auf den Weg machte. Hunde betreuen bei einer Hundeshow, wie schwer kann das schon sein?

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